Fotograf in Bremgarten
Fotograf in Bremgarten
Fotografische Projekte
2008
Ein fotografisches Langzeitprojekt
Konzept:
Fahndung 0816 ist ein sozialkritisches Fotoprojekt über die Reversibilität des Menschen zwischen dem Wunsch nach Einmaligkeit und dem Streben nach gesellschaftlicher Normierung — und über das verdrängte verbrecherische Potenzial, das in jedem von uns schlummert.
Jeder Mensch möchte individuell, frei und gut sein. Er sieht sich selbst gerne als moralisch aufrichtigen, naturverbundenen und empathischen Teil der Gesellschaft. Doch zugleich lebt er in Systemen, die ihn normieren, funktionalisieren und ihn — oft unbewusst — zum Täter gegenüber Umwelt, Tieren, Mitmenschen und der Natur selbst machen.
Dabei liegt die Verantwortung für Fehlverhalten und Veränderung oftmals bei den anderen. Der Mensch neigt dazu, das eigene Handeln zu rechtfertigen und die gesellschaftlichen Missstände an den Mitmenschen, an den „anderen“ festzumachen.
Fahndung 0816 macht dieses Paradox sichtbar.
1500 Menschen wurden bislang in der Ästhetik eines klassischen Fahndungsfotos porträtiert: immer gleicher Hintergrund, identisches Licht, normierte Perspektive.
Jede Person wählt dabei selbst eine Nummer, die sie auf dem Bild trägt — ein Symbol für die vermeintliche Einmaligkeit innerhalb eines standardisierten Systems.
Der Look der Fahndungsbilder erzeugt beim Betrachter automatisch Assoziationen von Schuld, Kriminalität und moralischer Verfehlung. Doch hinter jedem Bild steht ein ganz gewöhnlicher Mensch. Die Arbeit konfrontiert das Publikum mit der eigenen Reflexion: Wer ist eigentlich „der Verbrecher“? Wo beginnt die Schuld? Und wer entscheidet darüber?
Historischer Bezugspunkt ist der DIN 1 Kegelstift, das erste industriell normierte Bauteil, ausgerechnet für das Maschinengewehr MG 08/15 — ein Symbol für die technisierte Normierung des Menschen in Zeiten von Krieg und industrieller Vernichtung.
Fahndung 0816 überträgt diese Mechanismen in die Gegenwart und stellt die Frage: Wie sehr bestimmen Normen, Vorurteile und das Bedürfnis nach Konformität unser Denken, unser Handeln und unser Selbstbild?
Das Projekt fordert dazu auf, die eigene Rolle kritisch zu hinterfragen. Es zeigt: Jeder will das System verändern — aber niemand will sich selbst ändern.
Künstlerstatement:
Silvano De Matteis – Fahndung 0816
Seit jeher beschäftigt mich die Frage, wie der Mensch sich selbst sieht — und wie er von der Gesellschaft gesehen wird. Fahndung 0816 ist für mich der Versuch, diese ambivalente Selbst- und Fremdwahrnehmung sichtbar zu machen.
Wir alle streben danach, einzigartig und moralisch integer zu erscheinen. Wir wollen naturverbunden, empathisch und verantwortungsbewusst sein. Und doch leben wir in Systemen, die uns normieren, einordnen und funktionalisieren. Der Mensch bewegt sich zwischen dem Wunsch nach Freiheit und der Angst vor Ausgrenzung.
Dabei wird Schuld und Veränderungsbedarf fast immer bei den anderen gesucht. Jeder sieht sich selbst als Teil der Lösung — und selten als Teil des Problems.
Mit Fahndung 0816 porträtiere ich Menschen im Stil eines klassischen Fahndungsbildes: gleicher Hintergrund, identisches Licht, normierte Perspektive. Die Porträtierten wählen selbst eine Nummer, die sie auf dem Bild tragen — ein Symbol für ihre vermeintliche Individualität innerhalb einer gleichförmigen Struktur.
Die visuelle Anmutung des Fahndungsfotos ruft beim Betrachter unwillkürlich Assoziationen von Schuld und Verbrechen hervor. Doch hinter jedem Bild steht ein gewöhnlicher Mensch. Diese Diskrepanz zwischen Bildwirkung und Realität möchte ich bewusst ausloten.
Der historische Bezugspunkt dieses Projekts ist der DIN 1 Kegelstift, das erste industriell standardisierte Bauteil und ausgerechent für das Maschinengewehr MG 08/15. Ein Sinnbild für die technische und gesellschaftliche Normierung des Menschen — damals wie heute.
Fahndung 0816 ist ein Statement über die Widersprüche menschlicher Existenz: über unser Bedürfnis nach Einzigartigkeit und Anpassung, über unsere verdrängte Schuld und unser verbrecherisches Potenzial. Es fordert dazu auf, sich nicht in moralischer Selbstgewissheit zu wiegen, sondern den eigenen Platz im System und die eigenen Verstrickungen ehrlich zu hinterfragen.
2022
Hinter dem Himmel
Hinter dem Himmel
Eine Projektarbeit anlässlich des ArtWalk 2022 in Bremgarten AG